Wie sind Urlaub und Urlaubskassenverfahren für Arbeitnehmer/innen geregelt, die nach Österreich entsandt oder überlassen werden?
Warum werden Entsendeunternehmen überhaupt in das österreichische Urlaubskassenverfahren einbezogen?
Nach europäischen Rechtsvorschriften wie nach der 1996 beschlossenen Entsenderichtlinie 96/71/EG müssen die EU-Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Arbeitnehmer/innen, die in ihr Hoheitsgebiet entsandt wurden, denselben Mindestjahresurlaub erhalten wie Arbeitnehmer/innen mit gewöhnlichem Arbeitsort in ihrem Hoheitsgebiet.
Die österreichischen Vorschriften zur Arbeitnehmerentsendung und zur grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung verpflichten Entsendeunternehmen, ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen mindestens jenen bezahlten Urlaub zu gewähren, der nach den österreichischen Vorschriften zu gewähren ist.
Zum Urlaubsrecht im Bauwesen gibt es in Österreich Sonderregelungen. Den Sonderregelungen liegt die Erfahrung zugrunde, dass Bauarbeiten meistens witterungs- und saisonabhängig, von starker Fluktuation und häufigen Unterbrechungen der Dienstverhältnisse geprägt sind.
Damit auch Bauarbeiter Urlaub konsumieren können und die dafür notwendigen Mindestbeschäftigungszeiten erreichen, ist in Österreich seit 1946 das Urlaubskassenverfahren für die Bauwirtschaft verankert.
Das österreichische Urlaubskassenverfahren ist auch auf Entsendungen und grenzüberschreitende Überlassungen anzuwenden.
Die Urlaubszuschläge, die Entsendeunternehmen an die österreichische Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) bezahlen müssen, dienen der Deckung der Urlaubsansprüche, die entsandte oder überlassene Arbeitnehmer/innen in Österreich erwerben.
Wie ergibt sich im Bauwesen der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die nach Österreich entsandt oder überlassen wurden?
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Arbeitnehmer/innen erwerben bei einer Entsendung oder Überlassung nach Österreich einen anteiligen Urlaubsanspruch ab dem ersten Beschäftigungstag.
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Der Urlaubsanspruch steigt proportional zur Dauer der Beschäftigung in Österreich an.
Die Höhe des Urlaubsanspruchs hängt von der Anzahl der sogenannten Anwartschaftswochen ab, die der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin angesammelt hat.
Eine Anwartschaftswoche entspricht einer Kalenderwoche, in denen an 5 Arbeitstagen gearbeitet wird.
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Nur für jene Anwartschaften, für die der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin Urlaubszuschläge an die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) bezahlt hat, entstehen gegenüber der BUAK Ansprüche auf Ausbezahlung von Urlaubsentgelten.
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Pro Kalenderjahr (52 Anwartschaftswochen) kann ein Urlaubsanspruch von maximal 25 Arbeitstagen erreicht werden.
Ab 1150 Beschäftigungswochen kann ein Urlaubsanspruch von maximal 30 Arbeitstagen erreicht werden.
In diesem Fall sind auch Zeiten von Bauarbeiten im Ausland maßgeblich, sofern diese nachgewiesen werden (siehe dazu den Menüpunkt Entsendung/Überlassung in der Bauwirtschaft).
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Die BUAK gibt mit der Vorschreibung der monatlichen Urlaubszuschläge dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin bekannt, in welcher Höhe Urlaubstage und Urlaubsentgeltanspruch zur Verfügung stehen.
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Die Arbeitnehmer/innen erhalten zusätzlich vierteljährlich eine Information über die bei der BUAK gespeicherten Beschäftigungszeiten und über die daraus entstandenen Urlaubsansprüche.
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Die Höhe des konkreten Urlaubsanspruchs eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin bestimmt sich durch Zusammenrechnung aller Anwartschaftswochen, die der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erwarb – unabhängig davon, bei welchem Unternehmen diese erworben wurden.
Dadurch wird es Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ermöglicht, die für einen Urlaubsanspruch nötigen Anwartschaftswochen bei mehreren voneinander verschiedenen Betrieben zu erwerben. Arbeitnehmer/innen können den Urlaub bei jedem Betrieb konsumieren, unabhängig davon, wie lange sie dort beschäftigt sind.
Wie funktioniert das österreichische Urlaubskassenverfahren?
Das System des österreichischen Urlaubskassenverfahrens sieht Folgendes vor:
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In der Bauwirtschaft beschäftigte Arbeitnehmer/innen erhalten Leistungen aus dem gesetzlichen Urlaubsanspruch nicht von ihren Arbeitgebern oder Arbeitgeberinnen, sondern ausschließlich von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK).
Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin richtet sich nicht gegen den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin, sondern gegen die BUAK, die den Urlaubsanspruch ausbezahlt.
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Dafür leisten Arbeitgeber/innen monatlich Zuschläge zum Lohn (sogenannte Urlaubszuschläge) an die BUAK und finanzieren damit den Urlaubsanspruch ihrer Arbeitnehmer/innen.
Die BUAK errechnet die Urlaubszuschläge anhand der Monatsmeldungen, die die Arbeitgeber/innen erstatten, und schreibt sie den Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen vor.
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Ein Urlaubsanspruch entsteht für die in Österreich beschäftigten Arbeitnehmer/innen proportional ab dem ersten Beschäftigungstag nach Bezahlung der Urlaubszuschläge.
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Der Tageszuschlag errechnet sich nach der Tätigkeit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin und dem dafür aktuell geltenden kollektivvertraglichen Stundenlohn.
Die folgende Formel liegt der Berechnung für alle Betriebe zugrunde:
(kollektivvertraglicher Stundenlohn + 20 %) x Faktor / 5
Den Faktor setzt das zuständige österreichische Ministerium mit Verordnung fest. Die Höhe des Faktors richtet sich nach der kollektivvertraglich geregelten wöchentlichen Normalarbeitszeit.
Er beträgt derzeit
• bei 40,0 Stunden: 11,85
• bei 39,0 Stunden: 11,55
• weniger als 39,0 Stunden: 11,40
Entsandte oder überlassene Arbeitnehmer/innen unterliegen dem Urlaubskassenverfahren auch dann, wenn sie während der Entsendung im Heimatstaat sozialversichert sind.
Nähere Informationen über die Anmeldung zur Sozialversicherung und Dokumentationspflichten in Zusammenhang mit der Sozialversicherung finden Sie im Themenblock Formalitäten unter dem Menüpunkt Anmeldung zur Sozialversicherung.